Dr. Florian Mezger, Head of Talent Attraction bei der ZEISS Gruppe und ehemaliger Projektleiter / Recruiting Director bei der Boston Consulting Group gibt im Interview mit vorrath associates (va) Antworten.

va: Herr Dr. Mezger, welche veränderten Anforderungen gibt es an Berater beim Wechsel von der Beratung in die Industrie?

Dr. Florian Mezger: Umsetzung statt PowerPoint.

Berater lernen in ihrer Rolle auf Kundenprojekten ganz spezifische Fähigkeiten: Analyse, Struktur, Erarbeitung von Lösungsansätze, kommunikative Aufbereitung und Diskussion. In der Industrie sind diese Fähigkeiten weiterhin notwendig (und hochgeschätzt), aber es kommen weitere Anforderungen dazu. Statt ein Konzept zu entwickeln, sind die Berater jetzt häufig in der direkten Umsetzungsverantwortung. Dabei werden Sie mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Die tatsächliche Umsetzung erfordert intensive Arbeit seitens der Führung und der Mitarbeiter. Beispielsweise reicht PowerPoint nicht mehr aus: „Hier steht es doch auf der PowerPoint, warum macht das trotzdem keiner?“ könnte man sich als Frage stellen.

Betroffene zu Beteiligten machen.

Ein Konzept vorgeben und dann erwarten, dass die neuen Ideen und Prozesse direkt umgesetzt werden, funktioniert nicht. Kollegen, Mitarbeiter und Führungskräfte müssen mitgenommen und überzeugt werden. Dabei ist es Aufgabe des „internen“ Beraters, Dinge zu erklären und zu überzeugen, um am Ende gemeinsam ein „echtes Ergebnis“ realisiert zu haben.

Personalverantwortung und Netzwerk.

Darüber hinaus unterscheiden sich Teamstrukturen in Industrie und Beratung. In der Beratung führt man ein relativ homogenes Team über einen begrenzten Zeitraum mit einem klar definierten Ziel. In der Industrie hingegen ein heterogenes Team über einen unbegrenzten Zeitraum. Mehr Stakeholder, viele Themenbeteiligte sowie unterschiedliche Zielsetzungen und Motivationen gilt es zu erkennen und zu adressieren, so dass alle am gemeinsamen Ziel arbeiten.

va: Was sind falsche Vorstellungen beim Wechsel in die Industrie?

Dr. Florian Mezger: Anspruch auf Führung.

„Ich bin Projektleiter, ich kann auch Linienteams führen!“. Dieser Wunsch funktioniert nicht immer so einfach wie gedacht. Denn die Anforderungen an Projekte in der Industrie sind anders als in der Beratung bisher kennengelernt. Neu für ehemalige Berater ist die disziplinarische Verantwortung. Treten Konflikte auf, ist Führung im Gegensatz zu den meisten Projekten in der Beratung nicht begrenzt, sondern die Zusammenarbeit ist fortlaufend und die verschiedenen Interessenslagen müssen abgestimmt werden. Generell wird die Arbeit persönlicher und Fragen wie „Wie baut man sich sein eigenes Netzwerk auf“, treten in den Vordergrund.

Ist der Berater vor der Projektleiterebene ausgestiegen, so steigt er beispielsweise in eine Stabsfunktion ein. Diese können Vorstandsreferenten, Strategieabteilungen oder Business Development sein. Ab der Ebene des Senior Projektleiters kann auch der Einstieg auf gehobene Linienführungspositionen erfolgen. Hierbei konkurriert ein Berater mit firmeninternen Mitarbeitern, die bereits fünf oder mehr Jahre Erfahrung in der Industrie mitbringen. Diese kennen ihr Business seit vielen Jahren und wissen über Probleme, Schwachstellen und Kommunikationswege Bescheid. Sie haben ein internes Netzwerk, wissen wo sie Unterstützung bekommen und wie man Mitarbeiter führt. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber Beratern.

va: Was müssen Berater beim Wechsel lernen?

Dr. Florian Mezger: Politik verstehen und Netzwerk aufbauen.

Mitarbeiter in Industrieunternehmen kennen sich und haben zusammen viel erreicht oder Krisen durchgestanden. Berater treffen auf eine Umgebung, in der es ein vorhandenes Netzwerk gibt. Es gilt diese Netzwerke und Prozesse im Unternehmen zu verstehen, Stakeholder kennenzulernen und sich über die eigene hochwertige Arbeit (neu) zu positionieren. Für diese Strukturen und Zusammenhänge müssen Berater ein Verständnis entwickeln und lernen Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Man muss ein Teil des Teams werden und dessen Stärken mit den eigenen, in der Beratung gelernten Stärken, ergänzen.

va: Welche wichtigen Eigenschaften bringen Berater in die Industrie mit?

Dr. Florian Mezger: Die Arbeit in der Unternehmensberatung bringt vor allem strukturiertes Arbeiten mit sich. Probleme werden analysiert und Lösungen entwickelt. Eine wichtige Rolle spielt hierbei vor allem die Kommunikation sowohl zum Kunden als auch intern zu verschiedenen Beratern. Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg eines jeden Projekts. Berater können Themen aufbereiten, sei es schriftlich oder mündlich und vom Projektleiter bis zum Vorstand präsentieren

Über Dr. Florian Mezger:

Dr. Florian Mezger war über sieben Jahre Berater bei der Boston Consulting Group (BCG) und ist seit 2016 Head of Talent Attraction der ZEISS Gruppe, einem weltweit führenden Technologieunternehmen im Bereich Optik und Optoelektronik.